Selbstfindung

Ich habe lange darüber nachgegrübelt, wie ich meine Blogreihe am besten beginnen könnte, ohne mich zu sehr von anderen Bloggern beeinflussen zu lassen. Wenn meine ersten Worte hier also ähnlich klingen wie die von anderen Schreibern, dann ist das also reiner Zufall. Vielleicht ist der Start auch ein völlig anderer - keine Ahnung, Ihr wisst das wahrscheinlich besser als ich. 

 

Im Groben will ich zuerst meine - zugegeben sehr persönliche - Laufbahn beschreiben, wie ich dazu kam, mich ernsthafter mit der Fotografie zu beschäftigen. Dazu habe ich jedoch einen seeehr weiten Anlauf gebraucht, wenn ich ehrlich bin. Vielleicht hat man es schon bei meinen frühen Bildern in der Early Days-Sektion herauslesen können, aber irgendwie fand ich es schon im zarten Jugendalter spannend, Stimmungen auf Film zu bannen. So betrachtet bin ich schon immer ein Stimmungsmensch gewesen. Jemand, der Situationen nicht nur auf rein realistische Weise wahrnahm, sondern Anordnungen von Szenen in Verbindung mit Farbgebungen als emotionale Erfahrung aufzunehmen. Für mich war eine Parkbank nicht nur ein Platz zum Hinsetzen, sondern eher ein Element im gesamten Stimmungsbild eines Waldstücks oder dem See davor.

 

Viele denken, schätze ich, ähnlich. Wer verweilt nicht gerne auf einer dieser Parkbänke, hat seine(n) Liebsten im Arm und schaut verträumt auf das Glitzern, das die untergehende Sonne auf das Wasser zaubert? Da wir leider nicht in anderer Menschen Köpfe hineinschauen können, mutmaßen wir nur oder hoffen, dass es so ist. Denn ist diese Welt da draußen voller Vielfalt, Schönheit und interessanten Dingen vollgestopft, dass ich es jetzt schon schade finde, nicht alle besuchen und festhalten zu können.

 

Doch das sind hoch gesteckte Ziele. Bis es dazu kommen konnte, musste ich einen langen, steinigen Weg gehen, den ich euch grob beschreiben möchte. 

 

Lehrjahre sind keine Herrenjahre

 

Dass ich in meiner Schulzeit als Träumer katalogisiert wurde, kann ich heute ruhigen Gewissens als Kompliment auffassen. Ein Träumer zu sein mag den Realisten auf dieser Welt ein No-Go zu sein, für mich ist es weit mehr als Spinnerei oder Zeitverschwendung. Früher mag das anders gewesen sein, denn war man als Träumer eben ein Sonderling oder Außenseiter; man muss kein Experte sein, um zu verstehen, was es für ein Kind und seine Entwicklung bedeuten kann, so früh kollektive Ablehnung erfahren zu müssen. Man lernt jedenfalls, dass es nicht von Vorteil sein soll, nicht zu den Realisten zu gehören - man sei kein Macher, sondern "in anderen Sphären", "nicht bei der Sache" oder "phlegmatisch".

 

Selbst mein Schulunterricht im Gymnasium hatte das Gegenteil zur Talentförderung zur Folge - das Fach Bildende Kunst wurde schnell theoretisiert und somit zum selben Prinzip umfunktioniert wie Vokabeln lernen. Ich kann mich erinnern, welche Schockstarre diese Erkenntnis in mir ausgelöst hatte, nachdem man mir in der Grundschule noch Empfehlungen ausgesprach, mich entsprechend meiner Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Dieses mündliche Zertifikat löste sich jedoch in meinen Händen auf, als hätte jemand Säure darüber gekippt. Warum sollte ich nun die Kunst weiter ausüben, wenn ich fragmentarisch-theoretischen Unterricht ertragen muss, ohne mein offensichtliches Talent weiter praktisch ausbauen zu dürfen? Ich fühlte mich tatsächlich, als hätte man mir die Finger gebrochen, damit ich nicht mehr zeichnen, ein Instrument bedienen oder den Auslöser drücken konnte. Ich muss aber auch hinzufügen, dass ich vielleicht die nötige Geduld und die Konsequenz vermissen ließ, durch dieses Tal der Theorie hindurchzuwandern. 

 

Leider verkümmerte damit auch meine Ambition, künstlerisch weiter tätig zu sein. Wer getrieben wird, pragmatisch zu denken, wird wohl auch pragmatisch leben wollen (oder lässt sich in die Lebensweise hineinzwängen). Um es kurz zu machen: ich konnte nicht so leben, wie ich es für richtig hielt. Ich wurde von allen Seiten torpediert, einen starren, einen "vernünftigen" Lebensweg einzuschlagen. Und irgendwann war der Punkt erreicht, an dem mich das Leben der Anderen vollends im Würgegriff hatte. Dass das für meine persönliche Entwicklung überhaupt nicht gut war, ahnte natürlich niemand - ich am wenigsten. Also ließ ich mich breitschlagen.

 

Große Töne gespuckt

 

Während wenn ich mich nun mehr schlecht als recht in der real-pragmatischen Welt versuchte zurecht zu finden, blitzte immer wieder das Verlangen auf, kreativ zu sein. Ich stellte immer wieder fest, dass mir etwa Sportvereine keine Langzeitmotivation entlocken konnten. Fußball aus Spaß zu spielen war okay, im Verein jedoch war mir vieles zu schematisch und zwanghaft. Also kanalisierte ich mit Abständen kreative Schübe durch morgendliche Langeweilezeichnungen, Programmierversuche auf dem Commodore 64 und sonstige Aktivitäten im Ausprobiermodus. Die erste, die mich wirklich begann zu interessieren, war die Musik.

 

Im zarten Alter von 13 Jahren hielt ich meine erste eigene Holzgitarre in der Hand (zum damals stolzen Preis von 120 DM). Ich hatte gerade den Heavy Metal für mich entdeckt und wollte dies nun auch selbst akustisch umsetzen. Ich gründete schon bald mit Schulfreunden meine erste Band. Die Lust zu musizieren hielt sich bis ins "hohe" Alter von 28 Jahren - wenn da nicht immer mein und anderer Menschen Ego im Wege stünden, würde ich dies wahrscheinlich noch bis heute praktizieren. So jedoch kapselte ich mich 2005 bald nach dem Einspielen einer Tonaufnahme für eine CD von der Musik ab. Es lag, wenn ich das heute noch mal so überdenke, an meinen eigenen Ambitionen und meine begrenzte Fähigkeit, mich den Belangen anderer unterzuordnen. Vielleicht könnt Ihr nachvollziehen, wie das vonstatten gehen könnte: da schwirren dir Ideen im Kopf herum, seien es welche die Musik selbst betreffend, oder die Vorstellung, Achtungserfolge wie Festivalauftritte zu nutzen, um die Kapelle weiter zu pushen. Da wir aber aus beruflichen wie privaten Gründen im Hobbysektor weiterdümpelten, sah ich den weiteren Weg in einer Sackgasse und klinkte mich letztlich aus. Nicht mal so sehr deswegen, weil ich erfolgsgeil gewesen wäre, sondern weil mich der Weg des Fortschritts faszinierte. Weiter in irgendwelchen Abrissobjekten aufzutreten war ab einem gewissen Zeitpunkt unangenehm für mich.

 

Ups and downs

 

Nach etlichen persönlichen Rückschlägen fror meine Kreativität vorerst so richtig ein. Eine Zeit lang war ich in den Widrigkeiten des Alltags gefangen, weil ich mich ihnen völlig verweigert hatte zu widmen. Es ist schwierig, da wieder herauszufinden, wenn man erst mal darin verstrickt ist.

 

Kurzer Einschub nebenher: Auch in meinen finstersten Zeiten war ich nicht so ganz weg vom Fenster. Ich entdeckte die Schreiberei für mich und begann, Artikel zu verfassen - auch wenn es nur Kritiken für Videospiele und Kinofilme waren, wurde ich zu einer Art Hobbyautor, der online ein paar Gleichgesinnte fand, um bei ein paar Projekten mitzuwirken. Auch wenn ich im Nachhinein meine Texte von damals als recht dillentantisch ansehe, bin ich sehr dankbar für die gegebene Möglichkeit, in so einer schwierigen Zeit geistig nicht ganz eingerostet zu sein. Sonst würde ich wohl nicht hier sitzen und diesen Blog verfassen...

 

Als dann meine bessere Hälfte in mein Leben trat, wendete sich das Blatt. Die Probleme wandelten sich zu Lösungen und somit großteilig ins Nichts auf, und die Realität konnte wieder hintenan geschoben werden (ohne sie zu sehr zu vernachlässigen). Dazu braucht man einen Menschen, der einem die Notwendigkeiten vor Augen führt und dir den Rücken freihält. Und mit dem lebe ich nun seit 2011 zusammen. 

 

Wie dem auch sei - mit ihr konnte ich wieder durchatmen. Und wieder in Urlaub fahren. Meine beruflich-alltägliche Laufbahn erfuhr einen Glücksfall, der mir nach acht Stunden Malochen die Möglichkeit bietet, zuhause den Schalter umzulegen und mich der Kreativität zu widmen. Auch wenn es schwer ist, sich nach langer Abstinenz eingehender damit auseinanderzusetzen. Ebenso  ist meine persönliche Entwicklung ein wenig daran schuld, dass mir die Geduld von einst ein wenig abhanden gekommen ist. Je älter man wird, umso schwieriger lernt man Dinge. Das ist leider keine Floskel, es ist der natürliche Weg. Aber irgendwie funktioniert es doch, wenn man sich entsprechend dahinterklemmt, in meinem Fall bedeutet das noch dazu, dass ich auch die uneingeschränkte Bereitschaft zu diesem Schritt benötige.

 

Mal schnell die Welt sehen

 

Als ich mich 2016 entschied bzw. mich habe breitschlagen lassen, wieder etwas Kreatives zu machen, war die Fotografie sicherlich nicht an Stelle Numero Uno gestanden. Angeboten hatte sie sich aber doch, da man keine Wochen oder Monate an einem Motiv arbeiten muss als wenn man über die Gestaltung von gemalten Bildern sinnieren muss. Hier heißt es: Auslöser gedrückt und fast fertig. Aus finanziellen Gründen musste ich hierbei jedoch erst kleine Brötchen backen.

 

Ich begann seit 2011 zuerst mit der 1.3 Megapixel-Kamera in meinem LG KP 500-Handy (welches zwar ein Touchscreen hat aber sich eher wie ein Hybrid aus alten Geräten und Smartphones bedienen lässt) und musste mich den schwer begrenzten Möglichkeiten geschlagen geben. Gräuliche Fotos, äußerst lichtschwach und eine Auflösung, mit der ich nicht viel anfangen konnte. Dazwischen durfte ich dann mit der Digitalkamera meiner besseren Hälfte losziehen, als wir unseren ersten gemeinsamen Sommerurlaub begingen. Noch etwas zaghaft (und immer mit Auge auf die begrenzte Speicherkarte) schloss sich dann der Kreis am Strand von Baska in Kroatien. Ich hatte quasi seit über 20 Jahren kein Meerwasser mehr aus der Nähe gesehen, im Spätsommer 2012 stand ich schließlich inmitten der leichten Brandung der kroatischen Adria und experimentierte sogleich mit Aufnahmewinkeln, -höhen und den Einstellungen der Kamera. Das erste Mal seit Jahren fühlte ich mich wieder in "meinem Element" - gemeint ist das Meerwasser wie das Kreieren an sich. 

 

Dieses Glück erfuhr ich danach auch in den folgenden Spätsommern. Spanien und zwei Italientrips folgten in den nächsten Jahren, und wenigstens in dieser Zeit war die Kamera ein ständiger Begleiter und Momentfesthalter. Und immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich hockend oder gar liegend nach passenden Motiven suchte. Das und die Tatsache, dass meine letzte "Billig"cam schon im zweiten Jahr Mucken machte, bewog mich letztlich zu dem Entschluss, mir mal ein ordentliches und nicht gerade billiges Gerät zu kaufen und vielleicht doch den Großen nachzueifern.

 

Back to the roots

 

Welchen Monat ich dann im Jahr 2016 als den Geburtstag meiner angestrebten Fotografier"karriere" (momentan erscheint es mir schwierig, es als Karriere zu bezeichnen) markieren möchte, weiß ich nicht so recht. Ich habe nämlich nicht gleich nach dem Kauf alles ausgepackt, zusammengebaut und munter drauflos geknipst. Die ersten Bilder sind erst ein paar Tage später entstanden - ich bin also nicht gleich nach dem Erwerb in die Prärie geritten, um die Speicherkarte vollzuknipsen.

 

Diese Motivation dazu ergab sich nur schubweise, weil ich unter anderem schon etwas Recherche hinter mir hatte und von verschiedenen Topfotos so geflasht war, dass es mir anfangs wie ein Unding erschien, solche Fotos überhaupt zu schaffen. Aber, und das will ich gar nicht unter den Scheffel stellen, waren diese Schübe da. Eine Voraussetzung dafür war jedenfalls oft gutes Wetter. Einen Bezug zu den Urlaubsbildern brauchte ich, die Locations hingegen waren erst mal zweitrangig. Und als mir die ersten Achtungserfolge gelangen, wurde mir endgültig bewusst, dass ich etwas in mir lange Zeit verborgen hatte, was nun wieder zum Vorschein kam.

 

Es war die Wiederentdeckung meiner kreativen Kräfte...

 

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