Ein nichtssagender Akt

Ganz wie im Playboy: Fast schon unnatürlich verbogen lehnt sie sich gegen eine schmutzige Hauswand. Ihre Beine weit gespreizt, in fordernder Pose aufgestellt, den Auslöser gedrückt, in Photoshop aufgehübscht, eventuell mit Texturen versehen und vielleicht noch das Muttermal am Oberschenkel herausgestempelt, ist es das x-te Aktshooting, das mich ziemlich weit oben in der Timeline von Facebook anstarrt und nach Däumchen schmachtet.

 

Es ist nur eine Momentaufnahme in einer ganzen Reihe von Akten, die in fotografischem Kunstgewand nach Däumchen posieren, denn egal ob lieblich, neutral oder in aggressiver Körperhaltung – die Models scheinen in einen Schauwettbewerb getreten zu sein, mit dem Ziel, sich die Gunst der User zu erstreiten. Nun bin ich dem weiblichen Körper nicht abgeneigt, natürlich schaut man gerne hin, wenn sich jemand derart zur Schau stellt. Und doch läuft in meinem Kopf ein Denkmechanismus ab, der sagt, dass es häufig nicht das ist, was ich mir in diesem Genre der Fotografie so vorstellen würde.

 

Ich sollte mal vorweg nehmen, dass ich mich dem Bereich noch gar nicht gewidmet habe. In der Ausführung bin ich also jungfräulich behaftet. Und doch habe ich konkrete Vorstellungen darüber, wie solche Motive aussehen sollten. Nur ist leider der „Schaukrieg“ der jungen Damen nicht nur unter sich selbst ausgebrochen, sondern auch in der Fotografencommunity. Öfter mal entwickeln sich kleine Schlachtfelder in den Kommentarspalten. Und während ich noch über den künstlerischen Mehrwert der Fotografien nachdenke, bekriegen sich schon einige User mit zweideutigen Liebesbekundungen bis zu übertriebenen Ekelphrasen. Während ich noch entscheide, ein Däumchen zu geben oder nicht, sind schon an mehreren Fronten Wutgespräche entstanden, die seitens aller Beteiligten unter die Gürtellinie gehen können.

 

Auffällig oft passiert so etwas – meinem Empfinden nach - bei Portraits und Akten, weil dort die Details des Ergebnisses gerne mal zu genau analysiert werden. Der Bildschnitt passe nicht, die Hände wären falsch positioniert, Gesichtsausdrücke würden nicht ansprechen, Gadgets sind vielleicht moralisch verwerflich... und so weiter und so fort... Wie gesagt, ich habe allgemein keine Ahnung vom Genre, aber gibt es nicht auch Dinge, die man zu kleinlich nehmen kann? Dass das Zeigen von Handflächen tatsächlich als Abwehrhaltung interpretiert wird? Sind die Profis nicht doch ein wenig zu detailverliebt oder interpretieren zu viel in Körperhaltungen hinein?

 

Viel weniger kritisiert wird hingegen die Landschaftsfotografie. Die Natur ist eben so, wie sie ist, und da muss man eigentlich nur draufhalten und abdrücken. Voreinstellungen und die nachfolgende Bearbeitung lässt hier mehr Interpretationsspielraum zu als bei menschgemachten, gestellten Motiven, ist also einfacher zu handhaben. Die Wirkung von Portraits oder Akten hängt viel mehr von der Vorausplanung ab als die Natur – zumindest habe ich noch niemanden erlebt, der Blumen wegen ihrer Pose kritisiert hätte. Das mag ein wenig unsinnig klingen, ist aber zur Veranschaulichung der Unterschiede durchaus von Belang. Die Toleranzschwelle ist bei Natur und Landschaft ausgeprägter, vielleicht auch wegen des Bewusstseins, die Natur als darübergestellte Kraft zu akzeptieren.

 

Warum also geht das nicht (oder nur bedingt) bei der Peoplefotografie? Vielleicht haben wir ja ein idealisiertes Bild im Kopf, das man aus Magazinen kennt. Die Erkenntnis, dass hinter den Kulissen hochbezahlte Fotografen am Werk sind, impliziert auch die Annahme, dass diese „ihr Handwerk verstehen“ und es als bindend erachtet wird, wie etwa die Models platziert wurden. Das passiert auch in anderen Genres, aber nicht in dem Maße. Imitation muss per se ja nichts Schlechtes bedeuten, doch birgt es auch die Gefahr, allzu akademisch seine Arbeit auszuführen und den persönlichen Stil zu vernachlässigen.

 

Natürlich sind der eigene Geschmack und weiterführend die Menge davon ausschlaggebend für die Entwicklung von Stil und Erfolg. Und doch mache ich persönlich es nicht davon abhängig, wie erfolgreich ein Bild ist, um meine Meinung danach zu formen. Für mich müssen Fotos dieser Art einen Zweck beinhalten, eine Aussage, Models sollten nicht stur in die Kamera schauen, sondern lieber in die Szene, etwa um diesen Zweck einzubinden. Geht es um Akte, wird mein Kritikempfinden noch ausgeprägter. Was wirkt billig inszeniert, so dass es eher für schlüpfrige Kontaktanzeigen taugt? Was ist provokant, aber nicht allzu darauf bedacht, auf dumpfe Art und Weise Tabubruch zu begehen? Kann die motivische Umgebung dazu beitragen, aussagekräftige Tiefe ins Bild zu transportieren? Musste es z.B. denn sein, dass die Frau oben oder ganz ohne den Adler auf dem Arm sitzen hat?

 

Viele dieser Faktoren bestimmen mein Meinungsbild zum Genre, und dann bin ich vielleicht auch nicht viel anders als die, die die Stellung der Hand als unvorteilhaft erkennen mögen. Doch reicht es völlig aus, sich den Klick zu sparen oder gar den Kommentar. Auch nicht zu reagieren kann eine Form von Kritik sein, egal wie sich das Model da verbogen hat, um sich uns anzupreisen. Die Nacktheit letztlich als Eyecatcher zu verwenden ist schließlich meinem Empfinden nach in einen Kontext zu setzen. Märchenhafte Inszenierung hat für mich mehr Relevanz als sich nur auf einem Stuhl zu räkeln.

 

 

Den Playboy lese ich nämlich deswegen auch nicht. Die Models sind ohne Zweifel schön anzusehen und anregend in ihrer Körperhaltung, sie sind top fotografiert, doch tun sie für meine Begriffe nur eines: sich optisch preisgeben, um niedere Instinkte anzusprechen. Hallt jetzt auch schon das Thema Sexismus durch den Raum, denke ich, entweder alle (und Männer sieht man viel seltener posieren) oder keine.

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