Wie tief wäre ich noch gesunken?
Meine Vita liest sich bestimmt nicht wie die eines Max Mustermann, da ist schon sehr vieles passiert, was die Max Mustermanns dieser Welt lieber nicht lesen und als Vorbild nachleben würden. Wie Ursache und Wirkung bei diesem Aspekt vonstatten gehen, will ich jetzt gar nicht zu weit ausbreiten, sondern auf das kleine Lichtlein deuten, das mich durch meine dunkle Zeit geleitet hat.
Wie tief würden wir sinken, wenn wir keine Ziele mehr im Leben sähen? Wenn wir kein Interesse mehr entwickeln könnten, sei es das Sammeln von Dingen oder Veranstaltungen besuchen. Oder allgemein gesagt: wenn unser Leben keinen Sinn mehr ergeben würde.
Als es mir richtig schlecht ging, muss ich das heute auf mein berufliches und privates Leben unter bestimmten Umständen zusammenstauchen. Damals war es mir nicht möglich, Aspekte wie die Fotografie und das Kreativ-sein auszuklammern, man verallgemeinert seine eigenen Misserfolge schnell und entfernt sich von dem, was einen sonst am Leben erhielt . Nicht wenige Menschen suchen dann nur noch den letzten Schubser, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Für mich kam das nie wirklich in Frage. Meine Hilfeschreie waren erstens nie so laut, und zweitens wollte ich es nicht wahrhaben, dass da nichts mehr Lebenswertes auf der Welt wäre. Vielleicht war es so ein letzter Rest Stolz, der mich am Leben hielt, vielleicht auch die Gewissheit, dass meine Kreativität mir das Sterben verboten hatte. Das kleine Lichtlein eben.
Lasse ich also meine bisherige "Laufbahn" revue passieren, ist dieses parallel verlaufende Leben immer wieder präsent: das, was ich tun wollte, und das, was ich tun sollte. Das Wollen war das Kreative, das Herumprobieren, die Welt aus meinen Augen betrachten und sie etwa in Bildern und meiner höchsteigenen Vision wiedergeben. Das Sollen war das, was einem die Eltern vorbeten. "Lern was Anständiges.", "Brotlose Kunst". Ich will meinen Eltern jetzt gar nicht vorhalten, dass sie mich in die Pragmatik des Spießeralltages geprügelt hätten, aber man kann auch mit sanftem Druck andeuten, dass man nur damit anständig leben könnte. Das mag bis zu einem bestimmten Punkt stimmen, aber ist es eben auch kein Selbstläufer. Diese schmerzhafte Erfahrung hat mich letztlich rein psychologisch an einen Scheideweg gebracht.
Doch kommen wir zurück zum Kern der Sache. Wie hilft es, tiefe Täler mit der Fotografie besser bewältigen zu können?
Zuerst sollte einem bewusst werden, dass man nicht einfach so beginnt und direkt in der Materie drin ist. Vieles hängt davon ab, wie sehr man sich in das Metier hineinziehen lässt. Kann man anfangs eine Begeisterung dafür entwickeln? Schießt man gute Fotos, die auch woanders Anklang finden? Als Mensch mit Selbstbewusstseinsdefiziten ist Feedback anderer sehr wichtig, deswegen werden Sprüche wie "du musst selbst damit zufrieden sein" nicht den gewünschten Effekt erzielen, zumindest bei mir. Und letztlich hängt es davon ab, wie man "gepolt" ist. Als akribischer Detailfuchs kann man auch an immer wiederkehrenden Fotoserien Spaß haben, oder man ist so wie ich und probiert sich einfach mal in allem aus, was geht und von Interesse ist. Es gibt keinen Schalter, den man einfach so umlegt, stellt es euch wie eine Sinuskurve vor. So tickt man auch psychologisch betrachtet: man wird auch nicht schlagartig selbstbewusst, man muss es trainieren und hoffen, dass sich Erfolge einstellen.
Weiterführend sollte man bei einstellendem Erfolg trotzdem selbstkritisch bleiben. Man läuft schnell Gefahr, ein beliebtes Foto als Knackpunkt zu betrachten, ohne zu berücksichtigen, dass man vielleicht mal einen Zufallstreffer gelandet hat und erst mal beweisen muss, dass man dieses Niveau dauerhaft halten kann. Erfolge können eine Überschwänglichkeit auslösen, die andere als abgehoben oder unangebracht ansehen. In meinem Fall ist es momentan ein wenig so, muss ich offen zugeben.
Mir gefällt besonders an der Fotografie, dass man naturgemäß einen schnellen Ablauf zwischen Idee und Ergebnis erzielt. Nimmt man sich selbst und seine Probleme aus der Gleichung, bleibt nur noch das gedankliche und physische Tun in der Fotografie übrig. Es mag etwas müßig sein, sich eine Location auszusuchen, jedoch sollte man sich nicht zu schade sein, in jeder Ecke seine Bilder zu schießen, egal ob es zum Wunschmotiv passt oder nicht. Ich bin ein Freund der Sonne und suche gerne Landschaften als Kulisse dazu, habe dennoch einige Motive für mich entdeckt, die damit gar nichts zu tun haben. Neben natürlicher Kulisse (die in meiner Wohngegend etwas schwerer zu finden ist) habe ich auch Stadtansichten oder Makros ausprobiert, obwohl ich die erst gar nicht machen wollte. Die ein oder andere Dreckecke im Problemviertel kann also genau so spannend sein, wenn man sich gedanklich öffnen kann.
Stand heute, also gute zwei Jahre nach meiner Entscheidung für dieses Hobby, bin ich sehr zufrieden mit meiner Entwicklung. Ich kann nur empfehlen, über den eigenen Schatten zu springen und sich ins kalte Wasser zu schmeißen, es ist - zumindest ansatzweise - eine seelische Reinigung, mit allen Hochs und Tiefs, die solch ein Schritt mit sich bringt. Wer sich Ziele setzt, muss nicht der schnellste sein - aber man sollte anfangen zu laufen.
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